Im Boxring gegen Putin

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„Letztens las ich in einem Aufsatz irgendeines dieser zehntausend Windhunde, die sich gerne in der Zeitung darüber auslassen“, so heißt es in einem Werk von Kafka, das ich sehr liebe und gerade gut beschreibt, wie ich Journalisten wahrnehme, wenn sie über ein paar Sätze schreiben, die – von der Journalistenzentrale empfangen – uns etwas über die Kriegsmänner Selenskyj und Klitschko erzählen sollen.

Darin heißt es wortwörtlich, dass Klitschko, der übrigens noch kein Testament gemacht hat, weil er sich sicher ist, dass er dafür noch viele Jahre Zeit hat (das erfahren wir in einem Nebensatz), Putin „natürlich gerne k.o. schlagen möchte“. Und Journalisten, die Kafka seinerzeit schon als Windhunde bezeichnet hat, schreiben, dass Klitschko damit nicht der einzige ist, der sich einen Kampf gegen Putin vorstellen kann. Auch Selenskyj wäre „Allzeit bereit“ – ich würde dem Schreiber gerne bekannt geben, dass „allzeit“ ein Adverb ist, das man für gewöhnlich klein schreibt. Selenskyi stellt sich die Kommunikation mit Putin so vor (und hier wird der einstige Komiker und Schauspieler nun angeblich zitiert): „Ein Mann, ein echter Mann, wenn er jemandem eine Botschaft übermitteln will, wie zum Beispiel, ob er ihm die Fresse polieren will, dann macht er das ganz allein, ohne die Dienste eines Vermittlers in Anspruch zu nehmen“, so der ukrainische Präsident. „Wenn ich Putin eine solche Botschaft übermitteln müsste, würde ich das ganz allein tun.“

Ja, Himmel noch mal, was für ein menschliches Desaster musst du dir unter deinem Firmament gefallen lassen?

Jawoll, Selesnkyj hat Recht. Klitschko und er müssen genau DAS tun, was sie da von sich behaupten, tun zu wollen. Vor allen Dingen müssen sie es genau SO (!) auch klipp und klar formulieren: „Putin! Ich möchte mit dir in den Ring steigen und von Mann zu Mann kämpfen!“ Anstatt zu sagen: „Gerne würde ich Putin k.o. schlagen!“ Eine dieser typisch politischen Konjunktionssätze. Diese „Würde“-Aussagen, die eben ohne Würde unüberlegt dahingeschwafelt werden, in der er seinen eigentlichen Beruf leider nur metaphorisch in den Ring zieht.

So ist auch Selenskyj eben überhaupt nicht „auch einer, der mit ihm in den Ring möchte“, nein! Er palabert sich einen Hirnfurz von wegen, dass er für einen Zweikampf bereit wäre. Ich sehe doch dieselben Bilder wie er, oder nicht? Denen zu Folge nämlich wird dieser Zweikampf bereits blutig, tödlich und massenweise vernichtend geführt.

Allerdings, und das gilt es zu bemerken:

KEINER dieser Herren – und dabei fällt mir Hildegard Knefs Text „Die Herren dieser Welt “ ein – hat die Eier in der Hose, genau diesen ZWEI(!)Kampf wirklich zu führen. Sich hinzustellen und zu sagen: „Putin! Keiner unserer Männer wird mehr für uns kämpfen. Wenn du DER Mann bist, für den du dich hältst, dann kämpfe Mann gegen Mann gegen uns!“ Aber es sind wieder einmal nicht nur zwei Menschen, die einen Kampf austragen.

Und warum sie das nicht tun macht Klitschkos Äußerung deutlich. Er hat noch kein Testament gemacht, weil er sicher ist, dafür noch viele Jahre Zeit zu haben. Ich muss mich übergeben bei dieser Aussage! Na klar äußert der Boxer sein menschliches Wunschdenken, in das sich auch Selenskyi und Putin fügen: KEINER von ihnen will sterben! Weder Klitschko noch Selenskyj noch Putin. Für ihr Land nicht und auch sonst um nichts in der Welt. Dafür halten andere he(e)r. Andere, die ihr Testament wahrscheinlich „gerne“ noch gemacht hätten. Bevor sie gestorben sind, nachdem sie von den „Herren dieser Welt“ in die Pflicht gezogen wurden.

Anmerkung: Nachdem ich diesen Text verfasst habe, fragte ich mich, ob es vertretbar ist, Kafka und Knef in einem Bericht gemeinsam zu erwähnen. Was verbindet sie? Dann fiel mir auf, dass Franz Kafka den 1. Weltkrieg erlebt hatte, und Hildegard Knef ihre Kindheit im 2. Weltkrieg bewältigen musste.