Typ1-Entertainer – was’n das?
Ich bin Entertainer. Ich bin auch Diabetiker – Typ 1. Und weil ich Entertainer UND Diabetiker bin, darf ich auf keinem Kreuzfahrtschiff dieser Welt arbeiten. Hä? Lange Geschichte kurz erzählt: Im Juli 2024 bekomme ich das Angebot, ab März 2025 mit „MEIN SCHIFF“ bis September 2025 angestellt als Entertainer auf Kreuzfahrt zu gehen – von HongKong bis Triest mit der Aussicht auf Folgeverträge auf unbestimmte Zeit. Ein Traum für jeden freiberuflicher Künstler! Diabetes sei kein Problem, hieß es beim Casting. Warum auch? Schließlich sind jährlich geschätzt rund 3 Millionen Diabetiker auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Wow toll! Äh, NÖ! Frau Dr. Schlaich der Hafenpraxis Hamburg sieht das anders. Sie schränkt das Seediensttauglichkeitszeugnis, das jeder auf einer Kreuzfahrt angestellte Mitarbeiter braucht, bis Ende Juli ein – zudem erlaubt sie meinen Einsatz „nur auf europäischen Gewässern“. Folge: Der Arbeitsvertrag und auch jeder weitere kommt nicht zustande, weil diese „Zeugnisse“ für die Reederei keine Einschränkungen erhalten dürfen, so die Agentur sea chefs, die sich für die Rekrutierung von Mitarbeitern verantwortlich macht und die Abwicklung der Arbeitsverträge übernimmt. Da gesetzlich die ärztlichen Untersuchungen maximal zwei Monate vor Arbeitsbeginn stattfinden dürfen, erfahre ich das eben so vor geplanter Abfahrt. Ein fataler Zeitpunkt. Denn mittlerweile habe ich dafür drei Soloshows entwickelt und sie samt den von der Reederei vorgeschriebenen zwei weiteren Ensemble-Shows einstudiert, inklusive der Vorbereitung von vier Lesungen. Last but not least hab‘ ich mir alle Impfungen stechen lassen und nahm kostenpflichtig an diversen vorgeschriebenen Schulungen teil – in Vorfreude darauf, mir keine Gedanken mehr über künftige Engagements machen zu müssen. Entsprechend habe ich natürlich alle Eventualitäten abgesagt und keine weiteren mehr geplant, um mich für die nächste Zeit ganz der Seefahrt zu verschreiben. Ja warum aber hat sich der olle Floo denn vorher nicht genauer darüber informiert? Weil mir mein Diabetologe Dr. Schubert-Olesen, seines Amtes Verkehrsgutachter!, im August gleich noch extra ein Attest ausgestellt hat. In dem bestätigt er meine hervorragende und vorbildliche Einstellung und die absolute Unbedenklichkeit für den Beruf als Entertainer auf einem Kreuzfahrtschiff. Schließlich sei es in England Diabetikern mittlerweile erlaubt, sogar als Pilot durch die Lüfte zu fliegen. Der absolute Clou kommt jetzt: Im Dezember 2024 lädt mich meine Ma quasi zur Vorbereitung auf Karibikkreuzfahrt ein – als Gast. Und wie es der Zufall haben will, unterhalte ich mich dort explizit mit dem Rezeptionisten des Schiffes, der ebenso Typ1-Diabetiker ist und seit Jahren international unterwegs. Dass ich diesen Fakt einmal als juristische Grundlage brauchen könnte, wusste ich zu dem Zeitpunkt aber eben leider noch nicht. Auf die Absage im Januar folgen mehrere Monate Kampf gegen Gesetz und Widrigkeiten im Sinne der Gerechtigkeit. Nur: Niemand will sich äußern. Ich bekomme kein persönliches Gespräch – mit keinem. Auch Nachfragen in Sachen „warum darf der Rezeptionist und ich nicht“ bleiben sowohl seitens Reederei als auch der oberer Stelle der Aufsicht über die Einhaltung aller Gesetze unbeantwortet. WIDERSPRÜCHE Das Internet ist voll von konträren Aussagen: „Ich habe ein Jahr lang auf einem Kreuzfahrtschiff als Lichtdesigner gearbeitet 🙂 absolut verdammt geliebt! Hatte eine Insulinpumpe und einen CGM.“ (Quelle: reddit) Oder „Ich wurde aufgrund meiner Insulinabhängigkeit abgelehnt (zur Erinnerung: ALLE Typ-1-Diabetiker sind insulinabhängig), trotz guter Einstellung meines Diabetes.“ (Quelle: reddit) Oder: „Ich bin Diabetiker und arbeite auf einem Kreuzfahrtschiff. Ja, ich weiß, dass die meisten Firmen Diabetikern die Mitfahrt verweigern, selbst bei normalem Blutzucker. Ja, ich habe in meinem ärztlichen Attest darüber gelogen. Ja, es ist echt hart.“ (Quelle: reddit) Im Angesicht dieser nicht geklärten Ungerechtigkeiten und der Tatsache, dass ich noch kürzlich als Zugbegleiter gearbeitet hatte – Corona zwang mich dazu -, wo ich die Verantwortung der Sicherheit aller Fahrgäste eines gesamten Zuges trug, breche ich plötzlich zusammen. Der Vorfall treibt mich nicht nur finanziell in den Ruin (na ja, nennen wir es ein mittleres „Fiasko“), sondern auch energetisch. ABER nun ziehe ich den Schlussstrich! Mein größtes Bühnenidol, Mary alias Georg Preuße sang zum 30. Bühnenjubiläum Ich fang erst an!. Ist das nun Zufall, dass ich gerade nächstes Jahr auch mein 30. Bühnenjubiläum feiere? In jedem Fall mache ich nun genau dasselbe: Ich fang‘ erst an und starte noch einmal richtig durch – gerade jetzt! Darum, Bühnen dieser Welt, habt Acht!Hier kommt der Floo, nun wird gelacht,es wird vereint, es wird gesungen.Und wenn der letzte Ton verklungen,dann hört man noch im Halldie warmen Freuden überall. Das Entertainment ist was feins –und es braucht dringend nun Typ 1! (Kurios: Den folgenden Song schrieb und sang ich vor 10 Jahren – mein Text, den ich damals verfasste, bleibt aktuell und passt an einigen Stellen wie extra neu geschrieben.) 0:00 / 0:00 Ich bin hier – Medley zum Flootainment
